wir

gestern heute unterwegs

 

warum suchen wir immer nach ähnlichkeiten im gegenüber? etwas woran wir uns festhalten können, festkrallen mit den blossen fingern. die welt vibriert, kollabiert bei 180 kilometer pro stunde. anthrazit die spiegelungen in den scheiben, monochrome flächen, stoff: materie. durst: warme getränke: 2.90, kalte: 2.80; happy hour: eine geisterstunde des glücks. in meiner tasche: das samtene weißbuch. du schreibst: wenn wir zusammen sind, wandere ich durch deinen körper wie gift, mit 180 stundenkilometer. ich sei karmin, gelagert in holzfässern; gereiftes arsen.

 

grau/blau uniformierte momente. weißer marmor fliesst vorbei; bäume aus harz, zahlen und namen ineinander verschoben…nichts woran man sich festhalten könnte, wie ein gesicht, das man aus dem augenwinkel sieht und sofort wieder vergisst. wir neigen uns um 90 grad; der horizont, der äquator: die grenze der gegenwart.

 

wir brechen die zeit wie ein brot, mit den blossen fingern…

 

metasprache

das auto springt an (beim dritten versuch). der grieche, der einmal brite war, grinst uns im rückspiegel hinterher. du summst wonderwall im halbschlaf: eine wellenbewegung, die irgendwo unter meiner wirbelsäule beginnt. ich sehe dich, deinen atem, und etwas zwischen uns: galaxiehaufen, sternencluster, die rotverschiebung, all das spiegelt sich in den beschlagenen scheiben…

wir wachen auf. 4 uhr morgens, kälte liegt uns tief in den lungen, um mitternacht die letzte schleuse passiert: tegel, münchen, madrid. es sind all diese namen: du legst deine blosse handfläche mir in den nacken: etwas das zwischen den rippen liegt…knochen, die an ihren platz rücken, wie gletscher…

 

nachgedanken

 

ich sehe dich einmal im zug, jahre später (wieviele?), wie du einsteigst, am enderen ende des wagens. deine haare kürzer, wie damals. beim nächsten halt stehe ich auf, gehe die sitzreihen entlang, graue stoffbezüge; dichtes fell unter meinen fingern. ich stelle mir den moment vor: ich stehe vor dir, dein gesicht offen, etwas in den augen, das sucht, und dann die lautsprechanlage…
 

verlorene fragmente: schwarzer basalt, beim aufstieg rutscht einem der fuss ab, die überreste einer anderen welt, alles in den schuhen. weisses moos, kalk, kleine büsche, an den wir uns hochziehen. die stille oben dann, der wind, der uns den atem nimmt, das hemd vom körper schält und trotzdem, deine hand: die innenseite einer muschel, dunkler um die augen. wie soll man etwas beschreiben, dass man nicht vollständig begreift, nur aufnimmt? der körper ein schwamm in diesen momenten, löschpapier. wo anfangen, bei der materie? aber aus welcher art materie bestehen erinnerungen?

 

so stehe ich da, mund offen, die stimme aus dem lautsprecher längst verklungen, und merke erst jetzt, dass es nicht du bist, die mich überrascht anschaut, es sind nicht deine hände, gelenke auf die ich starre…

 

in bewegung daheim

auf der rückfahrt die gleichen artikel: eine brille auf dem tisch. die finger rauer, die fingernägel kurz. greifbare dinge, zahlen: ice 1552 – 19:27; gleis 3; nummer 050511; bis zu 50 prozent rabatt auf den normalpreis… ein blauer pullover, gebraucht, ein anderer tag: ich schreibe dir von lang, lang her. mein muezzin gesang aus einem weiss-rotem minarett. auf dem tisch auch: brotkrummen, wer sass hier vor mir? auf meinem platz, zurückgelehnt vielleicht, in erwartung, oder enttäuscht. das gleiche licht im fenster, gezogen wie überlandleitungen: zwei parallelen schneiden sich nie, auch nicht im unendlichen. der soundtrack von THE FOUNTAIN; die narbe an meinem knöchel, der blick gegenüber; wochen, monate, der zug derselbe vielleicht. das selbe nicht rauchen schild. atome, moleküle ausgeatmet, einmal: wir leben auf einer geraden…

 

minarett: vom türkischen minare ein

lehnwort aus dem arabischen: mamāra:

leuchtturm, oder wörtlich: ort des lichts